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Interview mit Prof. Dr. Thomaschewski

Interview mit Prof. Dr. Thomaschewski
Category: APR '23
Date: 26. Mai 2023
Author: UX Expert

Prof. Dr. Jörg Thomaschewski ist ein angesehener Forscher an der Hochschule Emden/Leer. Als Professor für Medieninformatik hat er nicht nur eine herausragende akademische Karriere, sondern ist auch eine erfahrene Lehrperson. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf den Gebieten der Internet-Programmierung, Human Computer Interaction, Agile Software Development und Agile Requirements Engineering.

1. Warum ist die User Experience, speziell für Webseiten, so wichtig?

Wenn man eine Website plant oder relaunched, also eine Neuentwicklung macht, dann sollte man natürlich die Nutzer:innen mit einbeziehen. Man muss das Benutzererlebnis mit berücksichtigen und von den Nutzer:innen aus denken. Wenn man das nicht macht, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass man an den Bedürfnissen der zukünftigen Benutzer:innen vorbei entwickelt.

2. Woran erkennt man eine Webseite mit einer guten User Experience?

Ja, das wäre ja gut, wenn ich da nur draufgucken könnte und dann würde man feststellen, diese Webseite hat eine gute User Experience oder eben nicht. So leicht ist das leider nicht. Natürlich gibt es Gestaltgesetze, die wie Grundregeln funktionieren. Aber über diese Grundregeln hinaus ist es sehr wichtig, wirklich auch die User Experience zu messen, beispielsweise mit Fragebögen oder in Interviews. Je nachdem, wie viele Nutzer:innen so eine Webseite hat. Nur über die User bekommt man heraus, ob die Experience, das Benutzererlebnis, auch wirklich richtig ist.

3. Sie hatten die Möglichkeit, einige von LUMETH-Design erstellten Webseiten anzuschauen. Konnten Sie einen roten Faden hinsichtlich der Erfüllung wichtiger UX-Kriterien erkennen?

Ja, wie ich schon sagte, man muss jetzt erst mal die Nutzer:innen befragen. Ich bin nicht der Nutzer. Die von Ihnen gezeigten Webseiten, das konnte ich erkennen, waren nach den Gestaltgesetzen erstellt und grafisch anmutend. Aber das heißt nicht, dass die Experience gut ist, sondern das sind, sagen wir mal, die Voraussetzung dafür, dass man eine gute Experience haben kann. Wenn ich die Gestaltgesetze schon massiv verletzen würde, dann habe ich eine schlechte Basis für eine gute User Experience. Die Basis ist gut und jetzt müsste man eigentlich wirklich Nutzer:innen dazu fragen. Beispielsweise mit Fragebögen oder im Interview. Wie auch immer.

4. Worauf sollten Web-Agenturen wie LUMETH-Design vor dem Hintergrund der Einhaltung von UX/UI-Standards und -Kriterien bei der Erstellung von Webseiten generell achten?

Okay, fangen wir erst mal an: User Experience ist nicht User Interface. UI ist wirklich die grafische Gestaltung. UX ist das Verfahren, wie ich die Bedürfnisse der Benutzer:innen befriedige. Da ist natürlich ganz viel drin. Beispielsweise eine informative Webseite. Wie gut sind die Informationen? Und nicht nur wie gut ist die Grafik um diese Information herum, sondern wie gut kommen die Nutzer:innen wirklich mit der Webseite klar? Eine gute User Experience kann unauffällig sein. Dann hat man eigentlich ein gutes Benutzererlebnis. Auf welche Standards und Kriterien sollte man also achten: Es kommt darauf an, für welche Webseiten das gemacht wird. Wir haben eigentlich drei Arten von Kunden. Ich habe Webseiten für einen kleinen mit einem kleinen Internetauftritt. Visitenkartenauftritte z.B. von einem Friseur oder einer Bäckerei. Dort reicht es oft die Standards der guten Gestaltung anzuwenden. Dann gibt es die Webseiten, wo schon viel mehr Umfang enthalten ist, die für das Business des Unternehmens wichtig sind. Hier sollte man schon bei der Erstellung die Nutzer:innen miteinbeziehen und auch im Anschluss messen. Und dann gibt es Webseiten, da ist die Webseite das Business: z.B. ein Shop. Da sind die Herausforderungen anders und die User Experience muss kontinuierlich gemessen werden und ein sauberes UX-Management ist Pflicht.

5. Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Trends in der Webprogrammierung/UI-UX und wie werden sie die Branche in Zukunft beeinflussen?

Oh, da sind wir jetzt bei Webprogrammierung. Da möchte ich heute eigentlich gar nicht wirklich drauf eingehen. Und das andere ist die User Experience. Die hat ja mit der Programmierung nichts zu tun. Das ist die konzeptionelle Gestaltung. Wie gehe ich eigentlich im Konzept vor? Von einer Idee, über die Konzeption, bis hin zur Realisierung der Messung der Gestaltung. Dort gehe ich dann wieder zurück und sehe, wie die Nutzer:innen die User Experience bewertet haben. Und dann muss ich überlegen: “Was ist mein nächster Schritt?”, um die nächsten Verbesserungen zu machen. Da bin ich aber nicht in der Programmierung. Da bin ich in der Konzeption der Seite. Bei der Bestimmung, welche Information brauchen die Nutzer:innen? Wie bewegen sich die Nutzer:innen auf dieser Webseite? Also ein ganz anderer Punkt. Die Programmierung ist ein Hilfsmittel zu einer guten User Experience.

6. Welche Bedeutung haben Praxisprojekte im Rahmen des Studiums der Medieninformatik mit Schwerpunkt Webprogrammierung bzw. -design?

Wir haben hier die Studiengänge Medieninformatik (Bachelor und Master), Wirtschaftsinformatik und viele weitere Online Studiengänge. Hier vor Ort und für die Online-Studierenden bieten diese Praxisprojekte natürlich eine hervorragende Gelegenheit, das theoretische Wissen, welches wir vorher im Studium aufbauen, in der Praxis auszuprobieren. Das mag sowohl diejenigen betreffen, die berufstätig sind, die dann vielleicht auch erstmalig strukturierter mit wissenschaftlichen Methoden an ihre Projekte herangehen, als auch diejenigen, die nicht in der Praxis sind und dann vielleicht sogar erstmalig ein Praxisprojekt abwickeln. Also das Praxisprojekt ist ein sehr wichtiger Baustein in den Studiengängen, die wir hier als Online Studiengänge anbieten. Natürlich auch in den Präsenzstudiengängen.

7. Was sind mögliche Schwerpunkte für eine erfolgreiche Bachelorarbeit im Bereich Webprogrammierung/Webdesign in Kombination mit dem Thema UX?

In einer Bachelorarbeit können wir das Niveau natürlich nicht wissenschaftlich hoch ansetzen. Aber wichtig wäre natürlich, dass bei einer Erstellung, Verbesserung oder Änderung von Internetpräsenzen die Konzeption der User Experience von den Studierenden gleich mitbedacht wird. Also: wie komme ich eigentlich von den Ideen, die ich habe, zur Änderung, dann hin zum Konzept. Über z.B. Personas oder Prototypen, komme ich zu einem Konzept, welches ich dann später mit Nutzer:innen evaluieren kann. So entsteht ein Fluss, der Programmierung mit einer guten User Experience vereint.

8. Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Fähigkeiten und Kenntnisse, die ein Absolvent der Medieninformatik im Bereich Web-Programmierung/UI-UX besitzen sollte?

Da sind wir auch wieder in den beiden Bereichen. Wir haben die Programmierung mit Übergangsphase. Da sind natürlich technische Kenntnisse und aber auch die Kenntnisse um Softwaretechniken gefragt: Wie erstelle ich eine Probe oder wie programmiere ich so, dass es auch umsetzbar ist. Auf der anderen Seite haben wir wieder den Konzeptionsbereich. Dort wird die User Experience eingebunden und später gemessen. Das heißt, die Studierenden müssen beides können. Sie müssen den technischen Bereich sauber beherrschen und sie müssen die User Experience konzeptionell beherrschen.

9. Inwieweit sind ein benutzerzentrierter Entwicklungsansatz und eine iterative Vorgehensweise für die Entwicklung von Webseiten von Bedeutung?

Es gibt doch gar keine Alternative dazu. Wir brauchen natürlich einen Mensch-zentrierten Entwicklungsansatz , sprich Human Centered Design. Den brauchen wir auf jeden Fall. Wir müssen die Bedürfnisse der Menschen, die mit dem System arbeiten, von Anfang an mit einbeziehen. Und wir brauchen natürlich auch eine agile und damit iterative Entwicklung, damit schon Vorprodukte und erste Produktideen den Auftraggeber:innen vorgelegt werden können.

10. Herr Helmut Brünen, Inhaber der Agentur LUMETH-Design hat an der Hochschule Emden-Leer die Ausbildung zum Medieninformatiker absolviert. Sehen Sie die obigen Fähigkeiten und Kenntnisse als Grundlage seiner Arbeit als realisiert an?

Ja, sonst hätte ich ja einen schlechten Job gemacht. Ich glaube, ich habe den Ruf, dass ich schon sehr anspruchsvoll bin und Herr Brünen hat bei mir die Bachelorarbeit geschrieben und auch in der Bachelorarbeit unter Beweis stellen müssen, dass er diese Fähigkeiten hat. Ansonsten mögen das doch dann bitte die Kunden und Kundinnen bewerten. Ich hoffe, dass er die ganzen theoretischen Kenntnisse auch mit in den Berufsalltag integrieren kann und dort seine Kundinnen und Kunden bereit sind, den Bereich User Experience zu honorieren. Was zwar im Kommen, aber heutzutage immer noch nicht selbstverständlich ist.

11. Welche Empfehlung/-en geben Sie klein- und mittelständischen Unternehmen in Bezug auf die Erstellung von Webseiten?

Haben Sie einen kleinen Internetauftritt (Visitenkartenauftritt), dann gibt es ein paar Grundregeln: Die Öffnungszeiten und die Kontaktadressen sollten sauber ersichtlich sein. Diese müssen immer auf dem neuesten Stand sein und dann sollte die Seite auch alle paar Jahre grafisch aufbereitet werden, ohne viel in der Struktur zu ändern. Wenn Sie ein Unternehmen haben, wo die Webseite Teil des Business ist oder das Business zumindest stark befeuert, dann müssen Sie viel stärker auf die User Experience achten. Ein Beispiel: Das fängt schon an, wenn man eine Webseite für eine freiwillige Feuerwehr oder das Rote Kreuz programmieren würde. Dann habe ich ja auch da schon Kunden. Und wenn ich bei der Feuerwehr beispielsweise Nachwuchsprobleme mit der Jugend habe, dann muss ich natürlich einen Internetauftritt bauen, der die potenziellen Nutzer:innen interessiert und nicht die gestandenen alten Herren, die schon ganz viel würdigen Ruhm haben. Und wenn Ihr Unternehmen Internet als Business hat, dann müssen Sie ein sauberes UX-Management durchführen.

12. Wie beurteilen Sie den Einfluss von Technologieentwicklungen auf das Studium der Medieninformatik?

Unser Job ist es, den Studierenden immer die aktuellste Ausbildung zu geben. Das heißt, in den Studiengängen lassen die Modulautor:innen die neuesten Entwicklungen immer einfließen. Und was dann ganz alt und ganz neu ist, lässt sich natürlich auch immer in den Praxisprojekten oder Bachelorarbeiten abbilden. So haben die Studierenden am Ende ein gutes Know-How. Und gleichzeitig möchte ich betonen, dass die Medieninformatik ein berufsbegleitender Studiengang ist und die Studierenden natürlich auch gelernt haben, sich berufsbegleitend weiterzubilden. Ich gehe davon aus, dass selbst Absolventinnen und Absolventen, die nach zehn Jahren dann mal wieder Kontakt aufnehmen, sich in diesen zehn Jahren auch weitergebildet haben und auf dem neuesten Stand sind. Das haben sie schon während des Studiums gelernt.

LUMETH-Design bedankt sich ganz herzlich bei Prof. Dr. Thomaschewski für das Interview.

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